

Erschienen in German Tap Magazin 4/2021 – Dezember 2021

An dieser Stelle meinen Dank an Herrn Klaus Schumann, der mir den Bericht zur Verfügung stellte!
Die deutschen Stimmen: 1930-1945
An dieser Stelle meinen Dank an Herrn Klaus Schumann, der mir den Bericht zur Verfügung stellte!
Die Beiträge zu Siegfried Schürenberg
https://dievergessenenfilme.wordpress.com/2015/11/23/siegfried-schuerenberg/
und
Ruth Hellberg
https://dievergessenenfilme.wordpress.com/2015/11/25/ruth-hellberg/
wurden von mir überarbeitet.
Die Synchroneinsätze beider ab 1935 dürften -nach jetzigem Kenntnisstand- vollständig erfasst sein.
Shirley Temple 1938 mit der damaligen „First Lady“, Eleanor Roosevelt
Shirley Temple, geboren am 23.04.1928 als Shirley Jane Temple Black, gehörte zu den berühmtesten Kinderstars der Filmgeschichte. Bereits mit 3 Jahren wurde sie von ihren Eltern in eine Tanzschule geschickt; dabei wurde sie von dem Regisseur Charles Lamont für den Film entdeckt. Aufgrund ihres Talents gab es in jedem ihrer Filme auch immer Tanz- und Gesangseinlagen. Ab 1932 war die damals Vierjährige dann in Kinofilmen zu sehen; der große Durchbruch kam dann 1934 mit dem Film „Shirley’s großes Spiel/ Baby take a Bow“, eine Fox-Produktion, der im gleichen Jahr auch in Deutschland anlief. Im gleichen Jahr drehte Temple auch zwei Filme für die Paramount, von denen „Treffpunkt Paris/ Now and Forever“ ebenfalls auf die deutschen Leinwände kam- allerdings erst 1937, als das junge Mädchen auch in Deutschland schon ein Star war. Ab 1935 folgte dann ein Filmhit nach dem anderen: „Shirley ahoi!“, „Sonnenscheinchen“ oder „Heidi“. Von 1935 bis 1938 war Shirley Temple der größte Kassenstar der Fox. Diese war 1935 finanziell praktisch am Ende. Sie fusionierte im gleichen Jahr mit der 20th Century Filmgesellschaft. Es waren vor allem die Filmhits des Kinderstars, der der neuen Filmgesellschaft Auftrieb gab. Ihre letzten Erfolge hatte sie 1939: ihr erster Farbfilm, „Die kleine Prinzessin“, war die teuerste Fox-Produktion mit Shirley Temple. Dieser Film lief übrigens nicht vor dem zweiten Weltkrieg in Deutschland und hatte erst im Rahmen einer ZDF-Reihe 1976 seine deutsche Erstaufführung. Ihr nächster Film, „Fräulein Winnetou“, hatte am 28.11.1939 seine Deutschland-Premiere in Kiel (Berlin: 09.01.1940) und war der letzte Shirley-Temple-Film, der in Nazi-Deutschland noch in die Kinos kam. 1939 war ein entscheidendes Jahr für die Karriere des Kinderstars. MGM wollte Shirley für die Prestigeproduktion „The Wizard of Oz/ Das zauberhafte Land (dt. Titel heute: Der Zauberer von Oz)“ ausleihen- doch die Fox ließ den Kassenstar nicht gehen. Stattdessen sollte sie für die Fox 1940 „The blue Bird“ drehen, doch der Film floppte an den Kinokassen. Auch ihre weiteren Fox-Produktionen wurden keine Hits, so dass Shirley Temple die Fox verließ und für MGM bzw. United Artists drehte. Bis 1949 drehte Temple noch weitere Filme, von denen nur „Als Du Abschied nahmst“ (1944), die Komödie „So einfach ist die Liebe nicht“ (1947) und der John-Ford-Western „Bis zum letzten Mann“ (1948, mit Shirley Temple als Tochter von Henry Fonda) erwähnenswert sind. Mit ihrer Schauspielerkarriere unzufrieden beendete Shirley Temple im Alter von 21 Jahren ihre Filmkarriere. Später wandte sie sich erfolgreich der Politik zu. Sie war Mitglied der Republikanischen Partei und als US-Botschafterin bei der UNO, in Ghana und der Tschechoslowakei tätig. Shirley Temple war von 1945 bis 1950 mit dem Kollegen John Agar verheiratet (die beiden sind zusammen in „Bis zum letzten Mann“ zu sehen), ab 1950 bis zu dessen Tod 2005 mit Charles Alden Black. Shirley Temple starb am 10. Februar 2014 an den Folgen der Lungenkrankheit COPD.
Shirley Temple 1944
Wie schon weiter oben erwähnt, waren die Temple-Filme auch in Deutschland sehr erfolgreich. Insgesamt zehn ihrer Filme schafften es zwischen 1934 und 1940 in die deutschen Kinos. In acht dieser zehn Filme wurde sie in Deutschland von Carmen Lahrmann (*30.10.1925) synchronisiert. Carmen Lahrmann wurde von der Deutschen Fox 1936 als Synchronstimme ausgewählt. Lahrmann arbeitete schon seit 1935 beim Rundfunk. Carmen Lahrmann sprach (und sang) nicht nur für Shirley Temple, sondern es wurden auch Schallplatten mit ihren Liedern herausgebracht. Dies waren allerdings keine Auskopplungen aus den Filmen, sondern eigens für die Platte herausgebrachte Gesangsnummern. Und auch der deutsche Film rief nach Carmen Lahrmann: 1937 drehte sie den Film „Monika“ (mit Maria Andergast und Ivan Petrovich in weiteren Hauptrollen). Der Streifen wurde allerdings kein Erfolg; die Filmkarriere von Carmen Lahrmann fand somit ein rasches Ende. Im Herbst 1939 synchronisierte sie dann ein letztes Mal Shirley Temple („Fräulein Winnetou“). Während des Krieges war sie dann bei der Truppenbetreuung tätig; ein Comebackversuch in den 1950er Jahren scheiterte. Sie war dann in verschiedenen Berufen tätig (Kassiererin beim Kino, Angestellte bei einer Luftfahrtgesellschaft, Erzieherin). Die heute 90jährige Carmen Lahrmann ist übrigens einer der letzten noch lebenden Zeitzeugen der frühen Synchronphase in Deutschland.
Carmen Lahrmann
Nach dem Krieg lief keiner der frühen Shirley-Temple-Filme mehr in den deutschen Kinos. Das ZDF erinnerte sich 1976 an den Kinderstar und brachte in einer kleinen Reihe noch einmal fünf ihrer Filme auf die Mattscheibe, darunter „Die kleine Prinzessin“ in deutscher Erstaufführung. Die übrigen („Rekrut Willie Winkie“, „Der kleinste Rebell“, „Fräulein Winnetou“) wurden wie „Die kleine Prinzessin“ im Auftrag des ZDF bei der Alster-Film in Hamburg neu synchronisiert, wobei hier Madeleine Stolze Shirley Temple sprach. Der fünfte Film der Reihe, „So einfach ist die Liebe nicht“ lief der alten Kinosynchronfassung von 1949 (Temples Sprecherin: Gina Presgott). Glücklicherweise wurde im Juni 2016 der Shirley-Temple-Film „Shirley Ahoi!“ mit der Synchronfassung von 1936 auf DVD herausgebracht; so hat auch der Zuschauer von heute noch einmal die Gelegenheit, die Kombination Shirley Temple/ Carmen Lahrmann zu erleben.
Carmen Lahrmann singt „Seefischball“, Schallplattenaufnahme (nachgesungen aus dem Film „Shirley Ahoi!“, 1936)
Nachcolorierter Filmausschnitt aus der Originalversion „Captain January“ („Shirley Ahoi!“, 1936)
Die Shirley-Temple-Filme in Deutschland (1934 bis 1939/40):
Dt. Titel (US-Titel, Drehjahr) – Dt. Erstaufführung – Dt. Synchronstimme
*möglicherweise ist das Gina Presgott
Mit dem Machtantritt der Nazis begann in Deutschland die große Flucht der jüdischen und der politisch verfolgten Künstler aus Deutschland.
Es waren bekannte Namen darunter, wie z.B. die Regisseure Fritz Lang, Hermann Kosterlitz (= Henry Koster), Robert Siodmak oder Detlef Sierck (= Douglas Sirk). Autoren wie Billie (Billy) Wilder oder Filmkomponisten wie Franz Wachsmann (=Waxman) oder Erich Wolfgang Korngold verließen ihre Heimat. Und natürlich Schauspieler wie Kurt Gerron, Siegfried Arno, Curt Bois oder Max Hansen. Aber auch viele Synchronschauspieler, die sich in Deutschland bis 1933 bzw. in Österreich bis 1938 als Synchronstimmen hervortaten, verließen ihre Heimat. Nachfolgend eine Aufstellung, die natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.
(20. November [andere Quellen: 20.- Februar] 1892 – 4. Februar 1986)
Arthur Schröder, in Groß-Borstel (heute Hamburg) geboren, macht zunächst eine Banklehre. Gleichzeitig tritt er als Statist am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg auf. Eine Schauspielausbildung hat er nicht, als er 1910 am Stadttheater Harburg sein Debüt als Schauspieler gibt. 1912-1914 am Stadttheater Göttingen, 1914/15 am Stadttheater Bremen und 1915-1918 am Lessingtheater in Berlin spielt er jugendliche Helden und Liebhaber. 1918 kehrt er nach Hamburg zurück ans Thalia-Theater. Danach ist er an verschiedenen Berliner Bühnen tätig, u.a. am Theater am Kurfürstendamm, an der Tribüne, am Metropoltheater, am Deutschen Theater, am Schlossparktheater und am Schillertheater. Bis 1972 bleibt er der Bühne treu.
Seine Filmkarriere beginnt schon zu Stummfilmzeiten 1915. Er ist u.a. Partner der Stars Asta Nielsen und Henny Porten. Bis 1921 ist Arthur Schröder in einem Dutzend Filmen zu sehen. Es folgt eine über 10jährige Filmpause, nur unterbrochen von dem Stummfilm „Da hält die Welt den Atem an“ (1927). Ab 1933, mit dem NS-Propagandastreifen „Hans Westmar“, ist Schröder bis zum Kriegsende in über 40 Filmen zu sehen. Meist sind es Nebenrollen, denen er Gestalt verleiht. So ist er Partner von Grethe Weiser („Meine Freundin Barbara“, 1937), Hansi Knoteck und Paul Klinger („Das schöne Fräulein Schragg“, 1937), Olga Tschechova („Zwei Frauen“, 1938), Heinz Rühmann („Quax, der Bruchpilot“, 1941) oder Willy Birgel („Diesel“, 1942). Nach dem Krieg werden die Filmauftritte zwar seltener, aber er kommt bis 1961 noch auf 15 Filmauftritte, darunter die DEFA-Streifen „Affäre Blum“ (1948), „Der Untertan“ (1951) oder „Das Beil von Wandsbek“ (1951). Danach ist er nur noch in einigen westdeutschen Produktionen zu sehen, wie „Canaris“ (1954) oder „Ein Mädchen aus Flandern“ (1956). Mit „Die Ehe des Herrn Mississippi“ endet 1961 die Filmkarriere von Arthur Schröder.
Bereits früh ist Arthur Schröder auch in der Synchronisation tätig. Er ist dort die deutsche Stimme von damaligen Topstars wie Gary Cooper, Robert Young, Robert Taylor oder Joel McCrea. Auch nach dem zweiten Weltkrieg ist seine Stimme noch in Synchronisationen zu hören, jetzt allerdings in Nebenrollen.
Am 4. Februar 1986 stirbt Arthur Schröder, 93 Jahre alt, im Westteil Berlins.
Synchronrollen bis 1945 (Auswahl):
(angegeben sind der deutsche Verleihtitel, der synchronisierte Schauspieler, Synchronfirma und Synchronjahr)
(Ursula Margarete Marie Feodora Grabley)
(08.12.1908, Woltersdorf bei Berlin – 06.04.1977, Brilon)
Ihre Eltern waren der Arzt Dr. med. Paul Ludwig Grabley und seine Ehefrau Johanna Elisabeth, geb. Rohrbeck. Sie erhielt Privatunterricht und besuchte Mädchenpensionate in Weimar und Wolfenbüttel. Sie machte eine Ausbildung an der Handelsoberschule in Hamburg und nahm Tanzunterricht an der Tanzbühne Laban. Erste Bühnenerfahrungen sammelte sie an den Hamburger Kammerspielen. Hier lernte sie auch ihren ersten Ehemann, Viktor de Kowa kennen, den sie 1926 heiratete. 1928 gehen die beiden an die Volksbühne in Berlin. Den Durchbruch schafft sie 1930 am Künstlertheater in der Komödie „Jill und Jim“. Es folgen weitere Engagements, u.a. am Theater am Kurfürstendamm. Nachdem sie 1929 -noch im Stummfilm- einen ersten kleinen Filmauftritt hat, gelingt ihr im Tonfilm ab 1931 der Durchbruch. Als modernes Mädel -selbstbewusst, burschikos, unbekümmert und temperamentvoll- (CINEGRAPH) ist sie die Partnerin von Harry Liedtke, Siegfried Arno, Conrad Veidt oder Hans Söhnker. Mit blonden Haaren präsentiert sie sich in Harry Piels „Der Dschungel ruft“ (1936). Mit Piel war sie auch in „Der unmögliche Herr Pitt“ (1938) auf der Leinwand zu sehen. Im selben Jahr heiratet sie, inzwischen von Viktor de Kowa geschieden, Edgar Heyl. 1939 wird sie nach einer Auseinandersetzung mit Propagandaminister Goebbels für den Film kaltgestellt. Sie spielt Theater und leiht ausländischen Kolleginnen in der Synchronisation ihre Stimme. Erst gegen Kriegsende sieht man sie wieder in kleineren Rollen beim Film, so in Käutners „Unter den Brücken“. Nach dem Krieg lebt Ursula Grabley in Hamburg. Sie spielt vor allem am Theater und tritt ab 1949 gelegentlich in Kinofilmen vor die Kamera, später auch im TV („Der Kommissar“) auf. Ab 1939, nach ihrer Auseinandersetzung mit Goebbels, synchronisiert Ursula Grabley viele Hauptrollen. Auch nach dem Krieg ist sie immer wieder im Synchronstudio aktiv.
Ursula Grabley, seit 1968 mit ihrem Jugendfreund Werner Gumpert verheiratet, erliegt am 6. April 1977 während einer Theatertournee im sauerländischen Brilon einem Schlaganfall.
Synchronrollen bis 1945 (Auswahl):
(angegeben sind der deutsche Verleihtitel, der synchronisierte Schauspieler, Synchronfirma und Synchronjahr)
(26.04.1898, Berlin – 06.12.1965, Berlin/W.)
Werner Pledath besuchte die Schauspielschule des Deutschen Theaters in Berlin; ab 1922 war er u.a. am Deutschen Theater und am Hebbel-Theater in Berlin auf der Bühne zu sehen.
1923 hat er in „Der Mensch am Wege“ einen ersten Auftritt im Stummfilm. Mit dem Aufkommen des Tonfilms ist Pledath in vielen Spielfilmen zu sehen. Dazu gehören u.a. „Gassenhauer“ (1931), „Ich bei Tag und Du bei Nacht“ (1932), „Liebelei“ (1933), „Der Mustergatte“ (1937), „Zu neuen Ufern“ (1937), „Heimat“ (1938), „Die Rothschilds“ (1940), „Ohm Krüger“ (1941), „Die Entlassung“ (1942) oder „Zirkus Renz“ (1943). Die Rollen sind meist klein, aber Pledath ist ein gefragter Nebendarsteller.
Nach dem Krieg ist der im Westteil der geteilten Stadt lebende Pledath im Ostteil der Stadt tätig: es spielt am Deutschen Theater und ist in vielen Rollen in DEFA-Filmen zu sehen („Straßenbekanntschaft“, 1948; „Die blauen Schwerter“ (1949), „Familie Benthin“ (1950), „Der Rat der Götter“ (1950).
Nach dem Mauerbau 1961 kann Pledath seine Arbeit in Ost-Berlin nicht mehr fortsetzen. Er spielt noch gelegentlich in West-Berlin, so beim Hansa-Theater oder der Schaubühne am Lehniner Platz.
Schon früh ist Werner Pledath in der Synchronisation tätig. Meist sind es Hauptrollen, die er spricht. Er ist die deutsche Stimme von Maurice Chevalier, Tullio Carminati, Victor Francen, Basil Rathbone, Melvyn Douglas, Fosco Giachetti oder Gustav Diessl. Nach dem Krieg synchronisiert Pledath für die ostdeutsche DEFA.
Er war seit 1933 mit der Schauspielerin Loni Michelis verheiratet.
Synchronrollen bis 1945 (Auswahl):
(angegeben sind der deutsche Verleihtitel, der synchronisierte Schauspieler, Synchronfirma und Synchronjahr)
Werner Pledath als Schauspieler und Synchronstimme:
(02.03.1903, Magdeburg – 20.01.1991, Berlin-Zehlendorf)
Harry Gieses Vater ist der Ingenieur Otto Giese, seine Mutter Margarete Giese, geb. Jaenecke. Nach Abschluß des Real-Gymnasiums beginnt Harry Giese eine Ausbildung als Schauspieler. Über die Stationen Magdeburg (1923-1925), Meiningen (1924/25), Aachen (1926-1928) und [Hamburg-] Altona (1928-1933) kommt Giese 1933 nach Berlin. Hier spielt er am Theater am Nollendorf-Platz und am Komödienhaus. Sein Rollenfach ist das des jugendlichen Liebhabers; als er später dafür zu alt wird, zieht er sich von der Bühne zurück. Ein Wechsel in andere Rollenfächer liegt ihm nicht. Nach 1945 spielt er nur noch kurzzeitig Theater; auf einer Provinzbühne in einem unbedeutendem Stück. Ab 1933 ist er auch als Synchronschauspieler vielbeschäftigt. Giese arbeitet u.a. für die Deutsche Fox Film, die Tobis-Melo Film, MGM, Paramount oder für Lüdtke, Dr. Rohnstein & Co. Er ist die deutsche Stimme von John Boles („Der kleine Rebell“; „Die Botschaft an Garcia“), Tyrone Power („Chicago“; „Der Liebesreporter“) Douglas Fairbanks jr. („Mimi“), Franchot Tone, Robert Montgomery oder auch John Loder. Seine Wochenschausprechertätigkeit beginnt Giese bei der Tobis-Wochenschau. Nach Kriegsbeginn werden die noch bestehenden Wochenschauen UFA, DEULIG und Tobis inhaltlich vereinheitlicht, erscheinen bis Sommer 1940 allerdings noch unter ihrem jeweiligen Namen, danach als „Die Deutsche Wochenschau“. Sprecher wird Harry Giese. Durch diese Tätigkeit dürfte seine Stimme vielen bekannt sein. Giese wird aber auch für andere Propagandafilme wie LAH im Einsatz (=Leibstandarte SS Adolf Hitler; 1941) eingesetzt. Auch im Dokumentarfilm Sieg im Westen ist er zu hören- allerdings nur in der Einleitung. Ein besonders übles Machwerk wird vom „Reichsfilmintendanten“ Fritz Hippler persönlich hergestellt: Der ewige Jude (1940) – „…der niederträchtigste der antisemitischen Nazifilme“ (Courtade/Cadars: „Geschichte des Films im dritten Reich“). Auch hier hört man Gieses Stimme. 1943 erkrankt Harry Giese an Gelbsucht; er wird vorübergehend von seinem Kollegen Walter Tappe vertreten. Anfang 1944, Giese ist noch nicht vollständig genesen, übernimmt er auf Anordnung von Propagandaminister Goebbels wieder seine Sprechertätigkeit für die Deutsche Wochenschau. Die Nazi-Wochenschau wird mit der Nr. 755 im März 1945 eingestellt. Da Harry Giese kein NSDAP-Parteimitglied war, bekommt er nach dem Krieg kein Berufsverbot. Er gehört Ende 1946 zu den Sprechern einer der ersten, in den Berliner Westsektoren (Filmstudios Tempelhof), hergestellten Synchronisationen: „Mädchen im Rampenlicht/ Ziegfield Girl“. Hier spricht er Tony Martin (den er bereits 1937 in „Mississippi-Melodie“ sprach). In „Die Wendeltreppe“, 1948 synchronisiert, spricht er George Brent und in „Ich tanz mich in Dein Herz hinein“, 1950 synchronisiert, spricht er Fred Astaire- wobei er sehr gute Arbeit abliefert. Bei der RKO-Synchronabteilung in Berlin (West) ist Giese vielbeschäftigt- als Sprecher aber auch als Dialogbuchautor und Dialogregisseur. Sogar für die ostdeutsche DEFA arbeitet Giese: zusammen mit seinem Sprecherkollegen bei der Deutschen Wochenschau, Walter Tappe, ist er 1949 für die deutsche Fassung des sowjetischen Propagandastreifens Begegnung an der Elbe zuständig. Doch schon bald bekommt Giese keine Synchronhauptrollen mehr angeboten; er muß sich mit kleineren Sprecherrollen abfinden. Als 1950 in Hamburg die Neue Deutsche Wochenschau gestartet wird, bewirbt sich Giese als Sprecher, wird jedoch nicht genommen. Neben der Synchronisation arbeitet Giese als Sprecher in Werbefilmen und in Dokumentarfilmen. So ist er u.a. in Der goldene Garten (von Hans Domnick, 1953) und Wir sahen mit unseren Augen: Rußland heute (von Gerd Nickstadt, 1957) zu hören. Gieses Sprechertätigkeit für den Trailer zu „Sein oder Nichtsein“ (die dt. Fassung wurde 1960 hergestellt) dürfte bei vielen Betroffenheit hervorgerufen haben- handelt doch der Film von einer Schauspielertruppe im von Nazis besetzten Polen, die den polnischen Widerstand unterstützen. Nachgewiesene Filmauftritte hat Giese nur zwei: 1942 ist Harry Giese in der Tobis-Produktion „Ein Windstoß“ in der kleinen Rolle des „Liebhabers“ zu sehen. Der zweite Filmauftritt folgt erst 1954. In „Herr über Leben und Tod“ (mit Maria Schell, Ivan Desny, Wilhelm Borchert) spielt er die Rolle des Prof. Richert. (in Nachschlagewerken wird für die Rolle der Kollege Heinz Giese genannt, aber das ist falsch). Da die Sprechereinsätze für Harry Giese mit den Jahren immer weniger werden, trägt vor allem auch seine zweite Ehefrau Gertrud als Studienrätin zum Einkommen der Familie bei. Der passionierte Orchideenliebhaber Harry Giese ist von 1950 bis 1962 Gruppenleiter der D.O.G. (Deutsche Orchideen Gesellschaft) in West-Berlin. Als Orchideenexperte hat er im neuen Medium Fernsehen in den 1950er Jahren einige TV-Auftritte. In den 1960er Jahren kauft er sich ein Grundstück in Tirol, bekommt jedoch keine Baugenehmigung. In den letzten Jahren seines Lebens zieht er sich mehr und mehr aus der Öffentlichkeit zurück. Harry Giese ist in erster Ehe mit Gertrud Froschauer, seit 1948 in zweiter Ehe mit der Oberstudienrätin Gertrud Linkowski verheiratet .
Synchronrollen bis 1945 (Auswahl):
(angegeben sind der deutsche Verleihtitel, der synchronisierte Schauspieler, Synchronfirma und Synchronjahr)
Harry Giese als deutsche Stimme von Fred Astaire (RKO Synchron, 1950), Edward Everett Horten wird gesprochen von Erich Fiedler
(geborene Ruth Elisabeth Gribbohm) 02. November 1906, Berlin – 26.April 2001, Feldafing
Ruth Hellberg war die (uneheliche) Tochter des Schauspielers und Theaterintendanten Fritz Holl und der Schauspielerin und Theaterhochschullehrerin Margit Gribbohm, die sich mit Künstlernamen Margit Hellberg nannte. Ruth Hellberg gab 1923 ihr Theaterdebüt am Landestheater Meiningen. Es folgten Theaterstationen in Hamburg, München, Königsberg, Leipzig, Wien sowie 1938-45 das Berliner Staatstheater. 1933 gab sie ihr Filmdebüt in „Was wissen denn die Männer“. Ihr größter Filmerfolg wurde 1938 „Yvette“. Es folgen danach noch Auftritte u.a. in „Heimat“ (1938, mit Heinrich George, Zarah Leander), „Der Postmeister“ (1940, mit Heinrich George), „Bismarck“ (1940, mit Paul Hartmann. Viele ihrer Filme wurden von Wolfgang Liebeneiner inszeniert, mit dem sie von 1933 bis 1943 verheiratet war. In erster Ehe war sie mit dem Verleger Fritz Landshoff verheiratet.
Schon seit Mitte der 1930er Jahre war Ruth Hellberg auch in der Synchronisation tätig. Auch nach dem Krieg widmete sie sich ausführlich dieser Tätigkeit. Zu ihren „Kundinnen“ gehörten u.a. Vivien Leigh, Myrna Loy, Helen Hayes oder Jeanne Moreau.
Nach die Krieg war Ruth Hellberg vor allem auf der Theaterbühne aktiv. Sie spielte u.a. in Stuttgart, Wiesbaden und Hamburg. Im Fernsehen war sie nur selten zu sehen, einen letzten Kinoauftritt hatte sie 1991.
Synchronrollen bis 1945 (Auswahl):
(angegeben sind der deutsche Verleihtitel, der synchronisierte Schauspieler, Synchronfirma und Synchronjahr)
*Zu diesen Filmen waren keine weiteren Angaben zu ermitteln (Herkunft, Schauspieler…)
Heinrich George, Zarah Leander und Ruth Hellberg in „Heimat“ (1938)
(= Siegfried Wittig) 12. Januar 1900, Detmold – 31. August 1993, Berlin
Seine Eltern sind der Schauspieler Siegfried Wittig und die Opernsängerin Thekla Wittig. Er wächst in Krefeld und Chemnitz auf. 1913 geht er mit dem Vater nach Berlin, 1917 wird er zum Militärdienst nach Frankreich eingezogen. Nachdem er erwägt, Medizin zu studieren, entscheidet er sich für den Beruf des Vaters- wobei er den Nachnamen seiner Großmutter als Künstlernamen auswählt. 1920 bekommt er sein erstes Theaterengagement in Stolp (Hinterpommern). Es folgen Stationen in Potsdam, Stralsund, Bonn, Stettin, Kiel, Hamburg, Zürich, Wien und schließlich Berlin. 1932/33 ist er zum ersten Mal auf der Leinwand zu sehen: „Der Läufer von Marathon“, noch eine kleine Nebenrolle. Harry Piel gibt ihm eine Hauptrolle in „Der Herr der Welt“ (1934)- doch der Film wird kein Erfolg. Danach ist Schürenberg vor allem in (größeren) Nebenrollen zu sehen: „Zu neuen Ufern“, „Der Mann, der Sherlock Holmes war“ (beide 1937), „Sensationsprozess Casilla“ (1939), „Am Abend auf der Heide“ (1941). Mit Kriegsbeginn wird Schürenberg zur Wehrmacht eingezogen; nur gelegentlich wird er noch für Film bzw. Synchronrollen freigestellt. Im Nachkriegsfilm ist Schürenberg, der nach dem Krieg einige Jahre in Zürich lebt, erst 1954 wieder zu sehen: „Conchita und der Ingenieur“. Es folgen Auftritte in „Alibi“, „Der 20. Juli“ (beide 1955) oder „Die Brücke“ (1959). 1962 bekommt er dann die Rolle seines Lebens. Als leicht seniler „Sir John“ verkörpert er in 16 Edgar-Wallace-Filmen den Chef von Scotland Yard. 1974 zieht sich Schürenberg, abgesehen von Synchronrollen, weitgehend vom Filmgeschäft zurück.
Als Synchronschauspieler ist Schürenberg ab 1932/33 tätig. Er gehört in den 1930er Jahren zu den meistbeschäftigten Synchronschauspielern in Deutschland, vor allem als deutsche Stimme von Clark Gable, Gary Cooper oder William Powell. Auch nach dem Krieg (ab 1950) ist er rund 30 Jahre lang vielbeschäftigt in der Synchronisation, u.a. ist er in fast allen Clark-Gable-Filmen seine deutsche Stimme.
Synchronrollen bis 1945 (Auswahl):
(angegeben sind der deutsche Verleihtitel, der synchronisierte Schauspieler, Synchronfirma und Synchronjahr)
Siegfried Schürenberg und Willy Birgel in „Zu neuen Ufern“ (1937)