Harry Giese

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(02.03.1903, Magdeburg – 20.01.1991, Berlin-Zehlendorf)

Harry Gieses Vater ist der Ingenieur Otto Giese, seine Mutter Margarete Giese, geb. Jaenecke. Nach Abschluß des Real-Gymnasiums beginnt Harry Giese eine Ausbildung als Schauspieler. Über die Stationen Magdeburg (1923-1925), Meiningen (1924/25), Aachen (1926-1928) und [Hamburg-] Altona (1928-1933) kommt Giese 1933 nach Berlin. Hier spielt er am Theater am Nollendorf-Platz und am Komödienhaus. Sein Rollenfach ist das des jugendlichen Liebhabers; als er später dafür zu alt wird, zieht er sich von der Bühne zurück. Ein Wechsel in andere Rollenfächer liegt ihm nicht. Nach 1945 spielt er nur noch kurzzeitig Theater; auf einer Provinzbühne in einem unbedeutendem Stück. Ab 1933 ist er auch als Synchronschauspieler vielbeschäftigt. Giese arbeitet u.a. für die Deutsche Fox Film, die Tobis-Melo Film, MGM, Paramount oder für Lüdtke, Dr. Rohnstein & Co. Er ist die deutsche Stimme von John Boles („Der kleine Rebell“; „Die Botschaft an Garcia“), Tyrone Power („Chicago“; „Der Liebesreporter“) Douglas Fairbanks jr. („Mimi“), Franchot Tone, Robert Montgomery oder auch John Loder. Seine Wochenschausprechertätigkeit beginnt Giese bei der Tobis-Wochenschau. Nach Kriegsbeginn werden die noch bestehenden Wochenschauen UFA, DEULIG und Tobis inhaltlich vereinheitlicht, erscheinen bis Sommer 1940 allerdings noch unter ihrem jeweiligen Namen, danach als „Die Deutsche Wochenschau“. Sprecher wird Harry Giese. Durch diese Tätigkeit dürfte seine Stimme vielen bekannt sein. Giese wird aber auch für andere Propagandafilme wie LAH im Einsatz (=Leibstandarte SS Adolf Hitler; 1941) eingesetzt. Auch im Dokumentarfilm Sieg im Westen ist er zu hören- allerdings nur in der Einleitung. Ein besonders übles Machwerk wird vom „Reichsfilmintendanten“ Fritz Hippler persönlich hergestellt: Der ewige Jude (1940) – „…der niederträchtigste der antisemitischen Nazifilme“ (Courtade/Cadars: „Geschichte des Films im dritten Reich“). Auch hier hört man Gieses Stimme. 1943 erkrankt Harry Giese an Gelbsucht; er wird vorübergehend von seinem Kollegen Walter Tappe vertreten. Anfang 1944, Giese ist noch nicht vollständig genesen, übernimmt er auf Anordnung von Propagandaminister Goebbels wieder seine Sprechertätigkeit für die Deutsche Wochenschau. Die Nazi-Wochenschau wird mit der Nr. 755 im März 1945 eingestellt. Da Harry Giese kein NSDAP-Parteimitglied war, bekommt er nach dem Krieg kein Berufsverbot. Er gehört Ende 1946 zu den Sprechern einer der ersten, in den Berliner Westsektoren (Filmstudios Tempelhof), hergestellten Synchronisationen: „Mädchen im Rampenlicht/ Ziegfield Girl“. Hier spricht er Tony Martin (den er bereits 1937 in „Mississippi-Melodie“ sprach). In „Die Wendeltreppe“, 1948 synchronisiert, spricht er George Brent und in „Ich tanz mich in Dein Herz hinein“, 1950 synchronisiert, spricht er Fred Astaire- wobei er sehr gute Arbeit abliefert. Bei der RKO-Synchronabteilung in Berlin (West) ist Giese vielbeschäftigt- als Sprecher aber auch als Dialogbuchautor und Dialogregisseur. Sogar für die ostdeutsche DEFA arbeitet Giese: zusammen mit seinem Sprecherkollegen bei der Deutschen Wochenschau, Walter Tappe, ist er 1949 für die deutsche Fassung des sowjetischen Propagandastreifens Begegnung an der Elbe zuständig. Doch schon bald bekommt Giese keine Synchronhauptrollen mehr angeboten; er muß sich mit kleineren Sprecherrollen abfinden. Als 1950 in Hamburg die Neue Deutsche Wochenschau gestartet wird, bewirbt sich Giese als Sprecher, wird jedoch nicht genommen. Neben der Synchronisation arbeitet Giese als Sprecher in Werbefilmen und in Dokumentarfilmen. So ist er u.a. in Der goldene Garten (von Hans Domnick, 1953) und Wir sahen mit unseren Augen: Rußland heute (von Gerd Nickstadt, 1957) zu hören. Gieses Sprechertätigkeit für den Trailer zu „Sein oder Nichtsein“ (die dt. Fassung wurde 1960 hergestellt) dürfte bei vielen Betroffenheit hervorgerufen haben- handelt doch der Film von einer Schauspielertruppe im von Nazis besetzten Polen, die den polnischen Widerstand unterstützen. Nachgewiesene Filmauftritte hat Giese nur zwei: 1942 ist Harry Giese in der Tobis-Produktion „Ein Windstoß“ in der kleinen Rolle des „Liebhabers“ zu sehen. Der zweite Filmauftritt folgt erst 1954. In „Herr über Leben und Tod“ (mit Maria Schell, Ivan Desny, Wilhelm Borchert) spielt er die Rolle des Prof. Richert. (in Nachschlagewerken wird für die Rolle der Kollege Heinz Giese genannt, aber das ist falsch). Da die Sprechereinsätze für Harry Giese mit den Jahren immer weniger werden, trägt vor allem auch seine zweite Ehefrau Gertrud als Studienrätin zum Einkommen der Familie bei. Der passionierte Orchideenliebhaber Harry Giese ist von 1950 bis 1962 Gruppenleiter der D.O.G. (Deutsche Orchideen Gesellschaft) in West-Berlin. Als Orchideenexperte hat er im neuen Medium Fernsehen in den 1950er Jahren einige TV-Auftritte. In den 1960er Jahren kauft er sich ein Grundstück in Tirol, bekommt jedoch keine Baugenehmigung. In den letzten Jahren seines Lebens zieht er sich mehr und mehr aus der Öffentlichkeit zurück. Harry Giese ist in erster Ehe mit Gertrud Froschauer, seit 1948 in zweiter Ehe mit der Oberstudienrätin Gertrud Linkowski verheiratet .

Synchronrollen bis 1945 (Auswahl):
(angegeben sind der deutsche Verleihtitel, der synchronisierte Schauspieler, Synchronfirma und Synchronjahr)

  • Die Schlacht (John Loder, ?, 1934)
  •  Nachtflug (William Gargan, MGM, 1934)
  •  Bengali (Franchot Tone, Paramount, 1935)
  •  Natascha (Pierre Richard-Willm, Lüdtke & Rohnstein, 1935)
  •  Helden von heute (Russell Hardie, MGM, 1935)
  •  Lockenköpfchen (John Boles, Tobis-Melofilm/ Dt. Fox, 1935)
  •  Mimi (Douglas Fairbanks jr., Lüdtke & Rohnstein, 1936)
  •  Der kleinste Rebell (John Boles, Tobis-Melofilm/ Dt. Fox, 1936)
  •  Die Botschaft an Garcia (John Boles, Tobis-Melofilm/ Dt. Fox, 1936)
  •  Frauen-Launen (Robert Young, Paramount, 1937)
  •  Wolgaschiffer (Pierre Blanchar, Tobis-Melofilm, 1937)
  •  Der springende Punkt (Jack Haley, Dt. Fox, 1937)
  •  Sonnenscheinchen (Robert Young, Dt. Fox, 1937)
  •  Der Mord im Nebel (Ray Milland, Paramount, 1937)
  •  Pariser Bekanntschaft (Robert Young, Paramount, 1937)
  •  Gehn wir bummeln (Dick Powell, Dt. Fox, 1937)
  •  Der Liebesreporter (Tyrone Power, Dt. Fox, 1937)
  •  Café Metropol (Tyrone Power, Dt. Fox, 1938)
  •  Scotland Yard greift ein (John Howard, Paramount, 1938)
  •  Chicago (Tyrone Power, Dt. Fox, 1938)
  •  Scotland Yard auf falscher Spur (John Howard, Paramount, 1938)
  •  Shirley auf Welle 303 (Jack Haley, Dt. Fox, 1938)
  •  Josette (Robert Young, Dt. Fox, 1939)
  •  Suez (Tyrone Power, Dt. Fox, 1939)
  •  Ein Mann wird entführt (Vittorio de Sica, Lüdtke & Rohnstein, 1939)
  •  Die goldene Peitsche (Richard Greene, Dt. Fox, 1939)
  •  Scotland Yard erlässt Haftbefehl (John Howard, Paramount, 1939)
  •  Hinter Haremsgittern (Ricardo Merino, Hispano, 1940)
  •  Liebe, Männer und Harpunen (Allan Bohlin, Atlas/Unfried, 1941)
  •  Reifende Mädchen (Andrea Checchi, Lüdtke & Rohnstein, 1942)
  •  Die maskierte Geliebte (Gustav Nezval, Lüdtke & Rohnstein, 1942)
  •  Nachtfalter (Gustav Nezval, Lüdtke & Rohnstein, 1942)
  •  Scheinwerfer im Nebel (Antonio Centa, Lüdtke & Rohnstein, 1942)
  •  Verschwörung gegen Marco (Roberto Villa, Lüdtke & Rohnstein, 1942)
  •  Frau am Abgrund (Vittorio de Sica, Lüdtke & Rohnstein, 1942)
  •  Mitternachtszauber (Oldrich Novy, Lüdtke & Rohnstein, 1943)
  •  Unsichtbare Ketten (Andrea Checci, Lüdtke & Rohnstein, 1943)
  •  Verschlossene Lippen (Andrea Checci, Lüdtke & Rohnstein, 1943)
  •  Dunkelrote Rosen (Vittorio de Sica, Emil Unfried, 1943)
  •  Verliebte Unschuld (Vittorio de Sica, Lüdtke & Rohnstein, 1943)
  •  Karawane (Rossano Brazzi, Lüdtke & Rohnstein, 1943)
  •  Mein Freund, der Präsident (Antal Pager, Deutsche Synchron Film, 1944)

Harry Giese als deutsche Stimme von Fred Astaire (RKO Synchron, 1950), Edward Everett Horten wird gesprochen von Erich Fiedler

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